Gewerblichkeit bei Freiberuflern durch Abfärberegelung
Von der Abfärberegelung sind nur Personengesellschaften betroffen, nicht jedoch Freiberufler, die alleine tätig sind. Bei Einzelkämpfern erfolgt keine Infektion freiberuflicher Einkünfte. Vorausgesetzt, dass eine sachliche oder wirtschaftliche Trennung möglich ist. So kann ein allein praktizierender Tierarzt mit einer Einzelpraxis neben Einkünften aus Gewerbebetrieb ohne weiteres auch solche aus freiberuflicher Tätigkeit erzielen.
Begründet wird die Ungleichbehandlung insbesondere damit, dass bei einer Gesellschaft die Abgrenzung zwischen den verschiedenen Tätigkeiten oft schwerfällt. Die Sonderregelung für freiberuflich tätige Personengesellschaften soll zu einer Vereinfachung der Einkünfteermittlung führen. Es soll zudem verhindert werden, dass gewerbliche Einkünfte der Gewerbesteuer entzogen werden. Das Bundesverfassungsgericht hat dies im Jahr 2008 ausdrücklich als verfassungsgemäß angesehen.
Umqualifizierung freiberuflicher in gewerbliche Einkünfte
Von der Sonderregelung in Paragraf 15 Absatz 3 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes sind die Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft (OHG), einer Kommanditgesellschaft (KG) oder einer anderen Personengesellschaft, insbesondere einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR) betroffen. Bereits kleine Anteile gewerblicher Tätigkeit führen zur Gewerbesteuerpflicht der gesamten Leistung. Die Gewerblichkeit aller Einkünfte droht dabei zum einen durch eine gewerbliche Tätigkeit und zum anderen durch die Organisation der Arbeit in der Personengesellschaft.
Tipp: Seit 2001 wird die gezahlte Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer angerechnet. Dadurch hat die Abgrenzung zwischen freiberuflichen und gewerblichen Einkünften an wirtschaftlicher Brisanz verloren. Nach aktuellem Recht wird die tarifliche Einkommensteuer der Gesellschafter aber nur pauschal um das 3,8-fache des anteiligen Gewerbesteuer-Messbetrags gemindert. Insbesondere in Großstädten und Ballungsgebieten kommt es daher bei Gewerbesteuer-Hebesätzen von oft weit über 400 Prozent dennoch zu einer zusätzlichen Belastung durch die Gewerbesteuer.
Vor allem hat die Einstufung als Gewerbebetrieb aber weitere negative Konsequenzen. So gelten andere, zumeist nachteilige Regeln im Hinblick auf die steuerliche Buchführungspflicht, die Wahl der Gewinnermittlung, die Zulässigkeit eines vom Kalenderjahr abweichenden Gewinnermittlungszeitraums sowie die Zugehörigkeit von Wirtschaftsgütern zum Betriebsvermögen. Ein besonders großer Nachteil wird regelmäßig darin gesehen, dass die Gewerblichkeit Sozietäten, die bislang eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung erstellen, zur Bilanzierung zwingt. Das erfordert eine Bewertung und Aktivierung sämtlicher Forderungen und angefangener Arbeiten. Umsatzsteuerlich bedingt die Gewerblichkeit zudem die Soll-Versteuerung (Steuerentstehung mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind), während ansonsten die günstigere Ist-Versteuerung (Steuerentstehung mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind) möglich ist.
Gewerblichkeit durch eigene Tätigkeit
Wenn eine Personengesellschaft neben freiberuflichen auch originär gewerbliche Einkünfte erzielt, so gilt ihr gesamter Geschäftsbetrieb als Gewerbebetrieb und unterliegt in Gänze der Gewerbesteuer.
Typische Beispiele:
- Vermarktung einer App durch den Sozius einer Anwaltskanzlei
- Tätigkeit des Sozius einer Kanzlei als betrieblicher Datenschutzbeauftragter eines Unternehmens
- Verkauf von Medikamenten und Impfstoffen durch Gemeinschaftspraxis von Tierärzten an Landwirte
- Verkauf von Kontaktlinsen und Pflegemitteln durch Augenärzte-Gesellschaft
- Verkauf von Artikeln zur Mundhygiene und Mundpflege durch Zahnärzte-Gesellschaft
- Verkauf von Fanartikeln und CDs durch eine Band in der Rechtsform der GbR
- Vermittlung von Druckaufträgen durch eine Gesellschaft von Künstlern
- Gemeinschaftlicher Betrieb einer Photovoltaikanlage auf dem Dach des Gebäudes einer Gemeinschaftspraxis
Gewerblichkeit durch die Organisation der Gesellschaft
Aber auch in den Fällen, in denen die Freiberufler-Gesellschaft oder deren Gesellschafter keine gewerbliche Tätigkeit per se ausüben, droht die Abfärberegelung zu greifen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs entfaltet eine Mitunternehmerschaft nämlich nur dann eine freiberufliche Tätigkeit, wenn alle ihre Mitunternehmer freiberuflich tätig sind. Es dürfen daher keine Berufsfremde beteiligt sein.
Tipp: Gesellschafter, die nicht mehr freiberuflich tätig sind, sollten gesellschaftsrechtlich aus der Personengesellschaft ausscheiden und in Bürogemeinschaft oder als freie Mitarbeiter im Rahmen eines Dienstleistungsverhältnisses tätig werden. Auch die Zusammenarbeit mit Berufsfremden sollte über Dienstleistungsverhältnisse oder Angestelltenverhältnisse geregelt werden.
Gefährlich ist auch die Einbindung Dritter in die eigene Leistungserbringung. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Freiberufler die eingekaufte Leistung selbst nicht beherrscht und nicht überprüfen kann. Zum Beispiel dann, wenn ein Rechtsanwalt Wirtschaftsprüfer für Unternehmensbewertungen hinzuzieht.
Tipp: Die Beauftragung dieser Leistungen sollte durch einen Anwalt keinesfalls in seinem Namen sondern allenfalls im Namen des Mandanten erfolgen. Die Leistung der hinzugezogenen Dritten sollte dann dem Mandanten direkt in Rechnung gestellt werden.
Die wohl größte Gefahr besteht aber wohl bei der Anstellung von Fachkräften. So ist beispielsweise Vorsicht geboten, wenn eine Gemeinschaftspraxis Ärzte anstellt. Dies kann zu einer Gewerbesteuerpflicht aller Einkünfte führen, wenn nicht gewährleistet ist, dass die Gesellschafter und Praxisinhaber die angestellten Ärzte überwachen und anleiten. Die Leistungen müssen den „Stempel der Persönlichkeit“ eines Mitunternehmers tragen. Dabei ist es nicht ausreichend, wenn der Gesellschafter lediglich Stichproben vornimmt.
Bagatellgrenze bei geringfügigen gewerblichen Einkünften
Gewerbliche Einkünfte sind nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung unschädlich, wenn sie im Veranlagungszeitraum drei Prozent der Gesamtumsätze (relative Untergrenze) und gleichzeitig den Höchstbetrag von 24.500 Euro (absolute Obergrenze) nicht übersteigen.
Tipp: Mit dieser Bagatellgrenze hat der Bundesfinanzhof für Rechtssicherheit gesorgt. Sind bei einer Personengesellschaft die Bagatellgrenzen nicht überschritten, erzielt diese im Ergebnis keine gewerblichen Einkünfte, auch nicht geringfügige.
Der absolute Höchstbetrag von 24.500 Euro orientiert sich an dem gewerbesteuerlichen Freibetrag für Personengesellschaften. Dieser bezieht sich jedoch auf den Gewinn. Aus Vereinfachungsgründen kommt es stattdessen bei der Prüfung der Bagatellgrenze auf den Umsatz an. So soll eine gesonderte Ermittlung des Gewinns, der auf die gewerbliche Tätigkeit entfällt, vermieden werden. Damit das Verhältnis der Umsätze bei unterschiedlichen Steuersätzen nicht verfälscht wird, kommt es bei beiden Grenzen auf die Nettoumsätze an.
Ausweichgestaltungen stellen keinen Missbrauch dar
Die Umqualifizierung von Einkünften lässt sich durch geschickte Ausweichgestaltungen vermeiden. Die Hürden sind nicht hoch. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, die von der Finanzverwaltung akzeptiert wird, liegt dabei regelmäßig kein Gestaltungsmissbrauch vor.
In der Praxis erfolgt häufig einer Ausgliederung der problematischen Tätigkeit auf eine Schwester- oder Parallelgesellschaft. Darin liegt selbst dann kein Gestaltungsmissbrauch, wenn die gleichen Personen an der freiberuflichen Personengesellschaft und der gewerblichen Gesellschaft beteiligt sind. Es sind allerdings getrennte Aufzeichnungen und Bücher zu führen.
Tipp: Wenn eine (gewerbliche) Betriebsaufspaltung entsteht, besteht die Gefahr, dass das Ausgliederungsmodell steuerlich verunglückt. Es empfiehlt daher, rechtzeitig einen versierten Steuerberater einzubeziehen.
Die Umqualifizierung von freiberuflichen in gewerbliche Einkünfte kann zudem dadurch vermieden werden, dass einzelne Gesellschafter problematische Tätigkeiten im eigenen Namen und für eigene Rechnung ausüben. Die gewerblichen Tätigkeiten sind der Freiberufler-Gesellschaft selbst dann nicht zuzurechnen, wenn der Gesellschafter mit den entstehenden Selbstkosten belastet wird.
Stand: 04.02.2020