Die neuen Regelungen für Testamente - Europa ist überall.
Wer eine gute Nachlassregelung getroffen hat, kann Streit in der Familie vermeiden. Dazu sollte man sich beraten lassen.
Der Beratungsbedarf steigt nun aber deutlich.Seit Jahrzehnten zieht die europäische Einigung mit ihrer Freizügigkeit eine rege Durchmischung der Bevölkerung nach sich, sei es, weil Ehepartner aus verschiedenen Ländern stammen, sei es, weil Menschen von einem Land der Union in ein anderes ziehen.Diesen neuen europäischen Lebensumständen hat die Europäische Union nun auch Rechnung getragen. Das Erbrecht wurde europäischen Regelungen unterzogen.Bisherige Spielregeln ändern sich dadurch in wesentlichen Punkten.
Das europäische Erbrecht bleibt bunt – man muss sich aber für eine Farbe entscheiden.
Zwar bleiben die nationalen Erbrechtsregelungen nahezu durchgehend unberührt. Von einem europäischen Einheitsbrei hat man abgesehen. Die nationalen Eigenheiten – vor allem auch Formvorschriften für Testamente - dürfen und sollen weiterhin nebeneinander bestehen. Sie haben Tradition und sind mit vielen Aspekten im Bewusstsein der jeweiligen Bevölkerung verankert. Daran soll sich nichts ändern. Neu ist allerdings, dass seit 17.08.2015 nur noch ein nationales Erbrecht für einen Erbfall gilt, keinesfalls mehr mehrere neben einander gelten. Starb beispielsweise ein Franzose in Deutschland, der hier sein Testament gemacht hatte, galt bisher, dass sein in Deutschland befindliches Vermögen nach deutschem Erbrecht weiter vererbt wurde, in Frankreich befindliches Vermögen, vor allem Grundbesitz, aber nach französischem; mit durchaus unterschiedlichen Folgen, zum Beispiel anderen Erbquoten, selbst dann, wenn das deutsche Testament bestimmte Festlegungen vorsah, die in Frankreich nicht wirksam waren.
Nun gilt, dass das Erbrecht jenes Landes gilt, in dem der EU-Bürger seinen letzten dauernden Aufenthalt hatte, es sei denn der Erblasser trifft in seinem Testament eine ausdrückliche Rechtswahl zugunsten seines Heimatlandes.
Entscheidend ist damit nicht mehr die Nationalität des Erblassers und auch nicht mehr der Ort, wo sich Erbmasse befindet, sondern alleine der letzte dauernde Aufenthalt des Erblassers. EU-Bürger, die in Deutschland leben, sind sämtlich von den neuen Regelungen betroffen. Das bedeutet nichts anderes, als dass man heute für das Aufsetzen eines Testaments das ausländische Erbrecht kennen sollte.
Dramatisch können die neuen Regelungen für jene sein, die ihren Lebensabend im Ausland verbringen möchten
Eine durchaus beliebte Lebensgestaltung von Senioren ist es, den Lebensabend im warmen, sonnigen Süden zu verbringen. Viele Renten werden zu ihren Empfängern ins Ausland überwiesen, wo sie ihren Ruhestand genießen.
Wer aber beispielsweise in der Toskana verstirbt, wo er seinen letzten dauernden Aufenthalt hat, dessen Nachlass regelt sich nun nach italienischem Erbrecht. Warum das wichtig ist? In Italien wäre das in Deutschland beliebte „Berliner Testament“, mit dem sich Eheleute gegenseitig zu Erben einsetzen, dann erst die Kinder bedenken, komplett unwirksam, weil es in Italien so etwas nicht gibt. Wer in der Bretagne oder in der Provence seinen Lebensabend verbringt, muss wissen, dass dort die unliebsamen Kinder, mit denen man gebrochen hat, nicht „auf den Pflichtteil“ gesetzt werden können, wie in Deutschland. Dort gibt es auch nicht den in Deutschland bekannten „Erbvertrag“. Er ist dort unwirksam. Testamentarische Regelungen können auf diese Weise also ins Leere laufen.
Wer vorhat, im EU-Ausland dauerhaft sich aufzuhalten, sollte sich daher bei der Gestaltung seines Testaments unbedingt beraten lassen, mindestens eine Rechtswahl zugunsten seines Heimatstaates treffen. Die Rechtswahl beschränkt sich allerdings auf das Land des letzten Aufenthalts oder das Heimatland. Umgekehrt kann, wem deutsche Regeln nicht gefallen, durch Wahl seines letzten Aufenthaltsortes auch das genehmste Erbrecht zur Durchsetzung seiner Vorstellungen wählen.
Da das neue Recht auf alle Erbfälle anzuwenden ist, die ab dem 17.08.2015 eintreten, gelten die neuen Spielregeln grundsätzlich auch für bereits bestehende Testamente. Wer betroffen ist, sollte sich daher unbedingt beraten lassen und das Testament eventuell ergänzen.
Stand: 23.05.2016