Beweislastumkehr bei Behandlungsfehler durch Tierärzte

Grundsätzlich muss derjenige, der Schadenersatz verlangt, seinem Gegner nachweisen, dass dieser schuldhaft gegen Vorschriften verstoßen hat, z.B. gegen seine Sorgfaltspflicht, und dass dadurch der Schaden entstanden ist.

Im Arzthaftungsprozess der Humanmedizin muss also dem Arzt vom Patienten nachgewiesen werden, dass dieser die Erkrankung oder Verletzung falsch eingeschätzt oder falsch behandelt hat und sich daraus die Nachteile entwickelt haben, die ersetzt werden sollen. Es gelingt oft nur unvollkommen, dem Arzt den Fehler nachzuweisen. Dann ergibt sich rechtlich ein Patt, und da der Nachweis nicht komplett vorliegt, bleibt der Patient ohne Ersatz.

Noch schwieriger als der Nachweis, dass der Arzt etwas falsch gemacht hat, ist der Nachweis, dass ein Fehler zu dem behaupteten Schaden geführt hat. Wegen der Unberechenbarkeit des menschlichen Organismus sind oft andere, schicksalhafte Entwicklungen für eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes denkbar.

So kommt der Patient im Prozess gegen den Arzt oft in Beweisnot. Deshalb wurde die Regel entwickelt, dass beim Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers die Beweislast nicht mehr beim Patienten, sondern beim Arzt liegt. Man spricht dann von der Beweislastumkehr zugunsten des Patienten.

Der BGH sagt dazu: „Liegt ein grober Behandlungsfehler vor, so hat der betreffende Arzt das Spektrum der für den Misserfolg der Behandlung in Betracht kommenden Ursachen verbreitert. Dies rechtfertigt es, in solchen Fällen eine Beweislastumkehr zu seinen Lasten anzunehmen.“

Ein grober Behandlungsfehler liegt dann vor, wenn der Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Regeln und Erkenntnisse verstoßen hat und ihm ein Fehler unterlaufen ist, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf. Also müsste praktisch ein anderer Arzt angesichts der Tätigkeit seines Kollegen die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und fassungslos fragen, „wie konnte er das nur tun?“

Diese Grundsätze wendet der BGH nun auch auf die tierärztliche Behandlung an.

Der Fall:

Ein Pferd litt unter einer Verletzung am Hinterbein. Der Tierarzt verschloss die Wunde ohne weitere Untersuchung. Einige Tage später wurde an der verletzten Stelle ein Bruch festgestellt. Das Pferd hatte nämlich durch den Tritt eines anderen Pferdes dort eine Fissur erlitten, das Bein war so zu sagen angeknackst und brach dann später ganz. Die Operation des Bruchs misslang und das Pferd musste eingeschläfert werden.

Es konnte nicht geklärt werden, ob die Behandlung des Tierarztes dafür ursächlich war, das das Bein beim Aufstehen des Pferdes brach.

Der BGH hat in der fehlenden weitergehenden Untersuchung durch den Tierarzt, bei der die gefährliche Fisdur hätte festgestellt werden können, einen groben Behandlungsfehler (Befunderhebungsfehler) gesehen und festgestellt, dass die Beweislast sich umkehrte. Der Tierarzt konnte nicht den für ihn positiven Sachverhalt nachweisen und wurde verurteilt, den Wert des Pferdes zu ersetzen.